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Homöopathische Praxis Freiburg
Reinhard Gräfe

Die Anamnese

Es ist die Aufgabe des Homöopathen, den Zustand des Patienten in seiner Gesamtheit zu erfassen und zur Auffindung des zutreffenden Mittels alle Symptome zu erkennen. Dabei ist viel Zeit, Geduld und Aufmerksamkeit erforderlich. Der Homöopath darf sich niemals - wie sehr sich der Patient das auch wünschen mag - mit ein paar Fragen und einer kurzen Untersuchung zufrieden geben. Nach einer nur flüchtigen Beobachtung oder Befragung des Patienten kann die Mittelfindung im günstigsten Fall ein Zufallstreffer sein, meist wird sie aber ein Chaos verursachen. Alle Wahrnehmungen werden vom Homöopathen mit größter Genauigkeit erfasst und protokolliert. Sogar der Blick, die Sprache oder der Händedruck können von Bedeutung sein und die Informationen des Kranken ergänzen.

Zunächst braucht der Homöopath Hinweise über die körperlichen und seelischen Symptome, die den Kranken dazu bewegten, sich einer Behandlung zu unterziehen. Am besten ist es, wenn der Patient am Anfang von sich aus über sich und sein Leiden erzählt. Der Behandler hört dem Patienten nur zu und führt ihn in seinen Darstellungen.

Für den Homöopathen ist eine Aussage wie: "Ich leide oft an schlimmen Kopfschmerzen" bei weitem nicht ausreichend. Er braucht detaillierte und spezifische Angaben.

Welchen Charakter hat der Schmerz?

Ist der Schmerz stechend, schneidend oder brennend? Ist es ein Druckgefühl, ein Hämmern oder ein Ziehen?

Lokalität?

Dann ist die Ort des Schmerzes ganz genau anzugeben, d. h., an welcher Stelle des Kopfes tritt dieser Schmerz auf? An den Schläfen, an der Stirn, am Hinterkopf?

Zu welchem Zeitpunkt tritt dieser Schmerz auf?

Morgens nach dem Aufstehen oder schon vorher im Bett? Kommt der Schmerz nach Mitternacht oder vielleicht nur, wenn der Patient nüchtern ist? Entwickelt sich der Schmerz am Vormittag oder immer nur am Nachmittag?

Seit wann hat der Patient dieses Leiden und was war der Auslöser der Krankheit?

Ist es möglich, den Auslöser der vorhandenen Symptomatik zu finden, kann dies ein deutlicher Hinweis auf die heilende Arznei sein. Die Ursache kann z. B. Kummer, Schock, Enttäuschung oder eine große psychische Überforderung gewesen sein.

Gemütssymptome?

Den Gemütssymptomen des Patienten muss besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Wie fühlt sich der Patient in seinem Zustand? Ist er deprimiert, weinerlich, aggressiv, reizbar oder launisch? Neigt er zu Eifersucht oder ist er voller Hass auf irgendwelche Dinge oder Personen?

Modalität?

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Mittelfindung ist die Modalität, d. h. der Patient muss Angaben machen können, wodurch er sich allgemein besser oder schlechter fühlt. Bessert sich sein Zustand bei Bewegung oder verschlechtert er sich bei Anstrengung? Zu unterscheiden ist die Modalität, die sich speziell auf das lokale Symptom bezieht. Aus diesem Grund kann sich der Patient allgemein wohler fühlen, wenn er sich im Warmen aufhält, jedoch wird der Kopfschmerz nur besser, wenn er sich etwas Kaltes auf die Stirn legt.

Verlangen und Abneigungen?

Das Verlangen des Patienten nach bestimmten Speisen, Getränken, Tätigkeiten oder einer gewissen Umgebung ist genauso wichtig wie die Abneigung der erwähnten Dinge. Hat er Verlangen nach frischer Luft, nach heißem Tee, nach absoluter Ruhe, Trost und Anerkennung? Meidet er Bewegung im Freien, Abwechslung, Gesellschaft, oder ist er abgeneigt gegen Milch, Fleisch, Alkohol?

Begleitsymptome?

Neben den erwähnten Symptomen, die jedem Patienten in seiner Individualität eigen sind, nehmen die Begleitsymptome eine weitere wichtige Stellung ein. Begleitsymptome erscheinen zum gleichen Zeitpunkt wie das Hauptsymptom, können jedoch an ganz anderen Stellen auftreten. So kann Kopfschmerz immer mit Ü;belkeit, mit Schweißausbrüchen, eventuell sogar mit Fieber auftreten. Der Kopfschmerz kann jedes Mal erscheinen, wenn die Füße nass und kalt werden, oder er kann von Schüttelfrost begleitet sein.

Menses?

Bei einer Frau sind Angaben über die Periode sehr wichtig. Kommt die Periode regelmäßig? Von welcher Beschaffenheit sind die Blutungen und sind sie von Schmerzen begleitet? Wie ist der Zustand der Patientin, bevor die Menses eintritt? Wie ist ihre Stimmung während der Periode im Verhältnis zum anderen Zeitraum?

Schlaf?

Was kann der Patient über den Schlaf und sein Schlafverhalten mitteilen? Wann geht er zu Bett und wie lange schläft er? Hat er Träume, und wenn ja, welche? Bereitet ihm das Aufstehen Schwierigkeiten? Muss er nachts aufstehen, um zur Toilette zu gehen oder um etwas zu trinken oder zu essen?.

Sonderbare Symptome?

Sonderbare Symptome können sehr aufschlussreich sein, z. B. wenn der Patient nachts vor Hunger nicht mehr weiterschlafen kann und unbedingt ein warmes Essen haben muss. Hahnemann hat in seinem Organon (§153) darauf hingewiesen, besonders die auffallenden, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen Symptome bei der Anamnese zu berücksichtigen.

Vorgeschichte

Bei einem chronischen Krankheitsprozess muss oft die Vorgeschichte des Patienten über Windpocken, Masern, Mumps, Röteln, Lungenentzündung mit den verschiedensten durchlebten Krankheiten in die Fallaufnahme miteinbezogen werden. Es ist von großem Vorteil, wenn der Kranke alle durchlebten Symptome aufzählen kann, auch wenn er sie selbst als unwichtig empfindet. Gerade die "nicht nennenswerten Kleinigkeiten", wie der Patient oft meint, können sich als besonders wertvoll herauskristallisieren.

Familienanamnese

Schließlich ist noch die Familienanamnese zu berücksichtigen, Angaben an welchen Krankheiten Eltern und Großeltern erkrankten oder starben.

 

Um nichts zu vergessen schicke ich dem Patienten vor der Erstanamnese einen Fragebogen zu (siehe Anamnesebogen).

 

Nach Beendigung der Anamnese hat der Homöopath ein klareres und vollständigeres Bild des Patienten. In den wenigsten Fällen werden die Aussagen des Patienten sofort auf das richtige Arzneimittel schließen lassen, weshalb es notwendig ist, aus den Unterlagen der umfangreichen Anamnese das Wesentliche herauszufiltern. Das Ziel ist es, das im Vordergrund stehende Geschehen des Patienten zu finden, die zugehörigen aufschlussreichsten Symptome in einer bestimmten Rangfolge einordnen und zum Schluss das Repertorium und die Materia Medica (Arzneimittelbilder, Niederschrift der bei homöopathischen Prüfungen aufgetretenen Symptome) zu Rate ziehen.

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